So lautete der Tenor einer Fortbildungsveranstaltung, die ich kürzlich mit Interesse besuchte. Praktizierende Anwälte werden mir sicher in der Erfahrung Recht geben, dass vor Gericht die Wahrheit gern verzerrt wird, sprich: mancher sich der Lüge bedient, um dem Anderen zu schaden. Besonders bitter ist dies bei Sexualstraftaten, wenn jemand unschuldig einer solchen bezichtigt wird.
Auch im familiengerichtlichen Verfahren stellt die Lüge ein beliebtes Mittel dar, um z. B. den anderen Elternteil in ein schlechtes Licht zu rücken und das Gericht zu überzeugen, dass der andere Elternteil etwa gefährlich für das gemeinsame Kind sei.
Erfreulich ist, dass nun der Polygrafentest (Lügendetektortest) wohl doch von mehreren deutschen Gerichten zugelassen wird. In der Vergangenheit war dies nicht der Fall, so dass viele Bürger den Lügendetektor in der Regel nur aus amerikanischen Filmen kennen. Der Bundesgerichtshof lehnt die Verwertbarkeit von solchen Tests bisher strikt ab, mit der Begründung, dass die Verwertbarkeit im Strafverfahren gegen die Menschenwürde verstoßen würde. Andere Länder, wie z. B. Polen, haben eine völlig andere Praxis. Dort ist dieser Test ohne weiteres zugelassen.
Nun stellte sich einem Richter des Amtsgerichtes Bautzen die Frage, weshalb er dem Beschuldigten nicht gestatten sollte, einen „Entlastungsbeweis“ vorzulegen, indem er sich einem Lügendetektortest unterzieht. Im dortigen Fall war es so, dass die Ehefrau ihren Ehemann der Vergewaltigung bezichtigt hatte, was dieser strikt zurückwies. Dieser hatte sich dann freiwillig einem Test unterzogen, welcher zum Ergebnis kam, dass seine Aussage, seine Ehefrau nicht vergewaltigt zu haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit wahr sei. Im Ergebnis sprach das Amtsgericht Bautzen den Beschuldigten frei. Hintergrund war u. a. auch der, dass die Ehefrau diesen Test nicht bestand.
Unabhängige Studien zeigten, dass die Genauigkeit eines Lügendetektortestes bei mehr als 98,5 % liegt und eine Manipulation durch den zu Prüfenden sehr schwer ist. Die Polygrafen messen natürlich nicht, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt. Über verschiedene Sensoren erfassen Polygrafen nur körperliche Reaktionen bei konkreten Fragen, wie z. B. Hautleitfähigkeit, Atemfrequenz, Blutdruck und Puls und zeichnen sie auf. Diese Daten können nicht bewusst kontrolliert werden. Die körperlichen Reaktionen des Betroffen spiegeln wider, was für den Untersuchten wichtig war oder ist. Wichtig ist, dass der Test durch ausgebildete Psychologen durchgeführt wird, also diese den Betroffenen ausgefeilt befragen. Beim sogenannten Vergleichsfragentest werden tatrelevante Fragen, z. B.: „Haben Sie Frau XY vergewaltigt?“ oder „Waren Sie am Tatort?“ mit nicht tatrelevanten Fragen, z. B.: „Sind Sie 30 Jahre alt?“, „Sind Sie mit Frau XY verheiratet?“ usw. gemischt.
Bei Auswertung der gestellten Fragen, für deren Beantwortung jeweils Punkte vergeben werden, ergibt sich ein Bild, welches entweder für die Schuld oder die Unschuld spricht. Das Amtsgericht Bautzen hat hier eine Tür geöffnet, welche Hoffnung macht, dass insbesondere unschuldig Verdächtige sich künftig schneller falscher Vorwürfe erwehren können. So ist der Lügendetektortest in Familiensachen auch geeignet nachzuweisen, ob der beschuldigende Elternteil den von ihm geäußerten Verdacht wider besseren Wissens aufgebracht hat.
Bei allen Vorfällen, bei denen „Aussage gegen Aussage“ besteht, kann die Wirkung eines seriös durchgeführten Polygrafentestes wichtig sein. Ich selbst habe mich im Rahmen der Fortbildung davon überzeugen können, wie der Polygrafentest konkret funktioniert, welche Geräte eingesetzt werden, wie die Körperfunktionen aufgezeichnet werden (für einen Laien vergleichbar mit einem EKG) usw. Auch ich selbst gehe davon aus, dass der eigene Körper auf wesentliche Fragen auch wesentlich reagieren wird, gerade wenn der Kopf noch so sehr arbeitet und versucht, das Messergebnis zu beeinflussen. Im deutschen Recht gilt zwar die Unschuldsvermutung. Rein praktisch ist es aber so, dass, so lange ein Verdacht in der Welt ist, sich dieser doch belastend für den Betroffenen auswirkt. Diese Zeit muss der Betroffene nicht untätig abwarten, zumal die Kosten eines solchen Tests finanzierbar erscheinen.
Der Polygrafentest kann hier ein praktikabler Weg sein. Auch die Richter des OLG Dresden scheinen dem Polygrafentest aufgeschlossen gegenüber zu stehen, stellen aber zu Recht klar, dass dieser Test aktuell aufgrund der strengen BGHRechtsprechung noch nicht als Beweismittel angesehen wird, aber als starkes Indiz gewertet werden kann, also als ein Puzzlestein in der Gesamtwürdigung des Einzelfalls durchaus gewichtet wird.
Rechtsanwältin Anja Pankow – zugleich Fachanwältin für Familienrecht –